Die Beziehungsebene ‘Studierende – Inhalt’ bildet eine der drei Seiten des didaktischen Dreiecks. Hier soll es primär um Aspekte der Hervorbringung von Bedeutung und Relevanz auf dieser Ebene gehen. Die Dozierenden als dieser Ebene entgegengesetzter Eckpunkt des didaktischen Dreiecks sind dabei stets mitzudenken.
Ein zentrales Anliegen ist es, dass Studierende den Lehrinhalt nicht als fremdes Element, sondern als Teil ihrer eigenen Lebenswelt begreifen. Indem sie Selbst- und Weltverhältnisse in den Lernprozess einbeziehen, können sie den Stoff persönlicher und relevanter gestalten.
Eine solche Auseinandersetzung ermöglicht es den Studierenden, den Lehrinhalt kritisch zu hinterfragen und eigene Deutungen zu entwickeln. Kritisches Denken als bedeutsames Element von Hochschullehre macht auch mit Blick auf die Zukunft Sinn. Wollen wir Absolvent*innen, die die Zukunft aktiv mitgestalten und dabei weiterdenken können, dann geht es darum, für das noch Ungedachte einen Raum zu eröffnen.
In diesem Zusammenhang nimmt die Rolle der Dozierenden eine besondere Stellung ein. Statt in erster Linie Wissen zu vermitteln, begleiten sie die Lernprozesse der Studierenden und unterstützen diese darin, sich mit eigenen Beiträgen in den gemeinsamen Lernraum einzubringen (siehe auch ‘Involvieren’ im Bereich ‘Praxis_Stimmen’ auf dieser Webseite). Das Ziel ist, dass die Studierenden langfristig in der Lage sind, selbstständig und kritisch zu denken und sich neues Wissen anzueignen.
Die Lernenden sollen selbst die Gelegenheit haben, aus dem Lerngegenstand Lesarten abzuleiten, diesem also selbst eine bestimmte Bedeutung, eine bestimmte Ordnung zu geben. Eine Auswahl an verschiedenen Vertiefungsthemen oder Formen von Leistungsnachweisen sind ein Beispiel dafür, wie die inhaltliche Auseinandersetzung in diesem Sinne bedürfnisorientiert gestaltet werden kann.
«Ähm, ich hab das relativ offen gelassen. Also ich hab gesagt, es gibt drei Formen von Leistungsnachweis. Eine ist, zwei kreative Texte zu schreiben. Eine ist, eine Sitzungsleitung zu übernehmen und Sitzungsgestaltung. Und eine ist, ein wissenschaftliches Essay zu schreiben. Einerseits, weil Leute unterschiedliche Bedürfnisse haben, ähm, aber ich glaube, es ist auch eine Frage von, was wollen sie lernen? Also ich sag auch, ähm, jetzt gerade bei der Sitzungsgestaltung oder in anderen Veranstaltungen, wenn ich, wenn eine Form, eine mögliche Form war, irgendwie einen Input zu machen, dass ich auch immer gesagt hab, gerade Leute, die schüchtern sind, die vielleicht irgendwie Mühe haben oder, oder zögerlich sind, Raum einzunehmen oder sich irgendwie zu melden, zu sprechen, dass sie diese Gelegenheit auch nutzen sollen, um das zu üben. Also es gibt nur Pass und Fail und es soll ein fehlerfreundlicher, lernfreundlicher Raum sein. Ich finde das sehr wichtig, da auch verschiedene Möglichkeiten des Lernens und des eigenen sich Entwicklens anzubieten. Das wurde auch immer wieder in dem Sinn genutzt. Ich finde es wichtig, irgendwie Konzepte zu verstehen, Mechanismen zu verstehen, da präzise zu sein, differenziert zu sein. Aber ich finde es auch sehr wichtig, darüber hinaus zu denken. Und das kann wissenschaftlich sein, aber ich denke, es gibt unterschiedliche Formen, die da Unterschiedliches ermöglichen. Und das kann auch in unterschiedlichen Leistungsnachweisen der Fall sein.»
Werden Diskriminierungen in der Lehre thematisiert, sollten Betroffene selbstbestimmt mit den entsprechenden Aspekten und ihrer Verhandlung im Lehr-Lernraum umgehen können. Dazu gehört, Möglichkeiten zu haben, sich der Situation gegebenenfalls zu entziehen. Gleichzeitig können Studierende auch selbst relevante Inhalte in die Lehre einbringen. Ihre biografischen Ressourcen, Sprach- und Erfahrungshintergründe und spezifische Kenntnisse zu Macht- und Differenzverhältnissen kann für die Lehre – je nach Themenfeld – inhaltlich sehr bereichernd sein.
«Triggerwarnungen, ganz fest. Also meine Erfahrung ist gerade so bei, ähm, Sozialarbeit, Sozialpolitik, aber auch Kinder-, Jugend-, Familienstudien. Manchmal sind es Themen, die heftig sind, Gewalt, psychische Störungen, Tod, Verlust. Und ich fände es wirklich so wichtig, dass vielleicht in der Kurzbeschreibung, aber auch vor dieser Vorlesung, wo es um das geht, nochmal eine Triggerwarnung kommt, ähm, auch bei Suizidalität, all diesen Themen, ähm, oder auch die Möglichkeit gegeben würde, dass man sich rausnehmen darf. Also, dass wie schon aktiv gesagt wird, heute besprechen wir das, oder in der Kurzbeschreibung steht, am dritten Kurstag ist das Thema, ich weiss auch nicht, Fehlgeburt, ähm, falls es Betroffene gibt, oder sonst, ähm, darf man sich dort einfach ohne, ohne dass man, ähm, eine Absenz hat, rausnehmen. Fände das sehr wichtig, ja. Und verständliche Kurzbeschreibungen. (.) Ich hatte gerade dieses Semester mit einer Freundin, ähm, die auch von der Fachhochschule kommt, haben wir uns so Kurzbeschreibungen hin und her geschickt, wo wir beide so waren: die Dozierenden versuchen sich zu übertreffen mit schwieriger Sprache, und wir waren wirklich so: oh, was wollen die hier? Was, was ist dieser Inhalt dieses Kurses? Also, ja, manchmal kommt man gar nicht raus.»
«Ähm, ich finde so zwei Aspekte, einerseits eben einfache Sprache, aber andererseits auch das Wording, also wie benennt man Sachen, welche Ausdrücke verwendet man, sind sie verletzend, ähm, gibt es Triggerwarnungen? Ich finde, das ist an der Uni irgendwie noch gar nicht angekommen. Ähm, und so bei den Dozierenden habe ich jetzt so an der Universität die Erfahrung gemacht, dass diese Rückmeldungen auch noch nicht wirklich Platz haben oder auch nicht abgeholt werden. Und an der Fachhochschule war es, waren wir viel mehr im Austausch und es war auch wie so möglich zu sagen, ähm, ich, ich hole schnell aus ein Beispiel, ähm, meine Familie sind Emesir, das sind, ist die indigene Bevölkerung aus Tunesien. In Europa benennt man sie meistens als Berber, aber, ähm, für uns ist das eigentlich eine Beleidigung, es hat viel mit so Kolonialisation zu tun, es bedeutet eigentlich Menschen, die keine Sprache haben. Und Emesir heisst freie Menschen, was viel ermächtigender ist und, ähm, ich habe das dann mal wie so an der Fachhochschule gesagt, dass das so wäre und dass mir das wichtig ist und daraufhin hatten sie wie alle Unterlagen etc. angepasst, hatten sich auch entschuldigt und es wurde sofort umgesetzt und das war für mich so, so irgendwie, ja, auch empowering, so zu merken, ich kann etwas ansprechen und ich werde als Einzelperson wie ernst genommen, ja, das fand ich sehr schön.»