Sprache

Schmuckgrafik: Rohr, aus dem blaue Wolke raustritt

Sprache ist mehr als nur ein Mittel zur Kommunikation. Sie formt unsere Wahrnehmung und unser Denken in tiefgreifender Weise und beeinflusst damit auch unser Handeln.

Sichtbarmachen durch Sprache

Was wir formulieren oder aussprechen, gewinnt eine Sichtbarkeit. Es wird für andere denk- und vorstellbar. Ein Beispiel ist die Verwendung des genereischen Maskulinums bei Berufsbezeichnungen. Wenn alle Geschlechter explizit genannt werden (z.B. mit dem Gender-Stern oder dem Doppelpunkt), werden sie auch als mögliche Repräsentant*innen für diese Berufe wahrgenommen und mitgedacht.

Sprache und soziale Wirklichkeit sind eng miteinander verbunden: Beides bringt sich gegenseitig hervor, da unsere soziale Wirklichkeit zuallererst sprachlich konstruiert ist. Es macht einen grossen Unterschied, ob Personen lediglich implizit mitgemeint werden (wie z. B. beim generischen Maskulinum) oder ob sie explizit in der grammatikalischen Form repräsentiert und dadurch tatsächlich mitgedacht werden. Studien zeigen bspw., dass Kinder männlich konnotierte Berufe eher für sich selbst in Betracht ziehen, wenn auch die weibliche Form genannt wird.


«Ich bin schon auch der Überzeugung, dass Sprache auf eine Art Wirklichkeit schafft und dass man mit Sprache sehr viel bewirken kann.»
Studentin, Universität

«Ich finde Sprache kann wahnsinnig verletzten sein, auch wenn man vielleicht nicht in einem aktiven Austausch ist, sondern (zum Beispiel), jemand macht eine Vorlesung und die andere Person hört zu. (Da) können Ausdrücke fallen, die die Person verletzen. Deshalb find ich es sehr wichtig. Und auch, dass alle Personen genannt werden, die da sind und nicht irgendwie von einem kleinen Mehrheitsgebilde ausgegangen wird, sondern dass wirklich (alle) mitgedacht werden. Es gibt ja nicht nur, ich sag jetzt einfach plakativ, weisse alte Männer, sondern es gibt noch ganz viele andere Menschen und dass man diese in der Sprache mit einschliesst. Ich bin schon auch der Überzeugung, dass Sprache auf eine Art Wirklichkeit schafft und dass man mit Sprache sehr viel bewirken kann. Ich habe auch schon gemerkt, dass man sich auch freut, oder ich freue mich immer wieder, wenn ich merke, dass mein Gegenüber sich Mühe gibt beim Sprechen. Oder eben einen Wunsch von mir akzeptiert und dann umsetzt.»

Sprache transportiert gesellschaftliche Werte

Sprache transportiert gesellschaftliche Werte und formt dadurch Haltungen und Einstellungen. Dieser Zusammenhang ist sowohl in der Soziologie als auch in der Sprachwissenschaft unbestritten.

Wenn Sprache unsere gesellschaftlichen Vorstellungen von Normalität und unsere Werthaltungen mit hervorbringt, können wir diese Vorstellungen auch umgekehrt durch Sprache gestalten. Sprache, im weiteren Sinne auch Bilder, ist somit ein Werkzeug, um gesellschaftliche Entwicklungen aktiv mitzugestalten.

«Je nach Art oder Anwendung von Sprache verschleiert man damit Realitäten oder macht Realitäten sichtbar.»
Dozent, Fachhochschule

«Selbstverständlich glaube ich spielt Sprache eine sehr grosse Rolle für die differenzsensible Lehre – Sprache schafft Realität – und je nach Art oder Anwendung von Sprache verschleiert man damit Realitäten oder macht Realitäten sichtbar. Und ich glaub das gilt insbesondere auch für Ungleichheiten, welche mehr oder minder wahrgenommen werden oder überhaupt wahrgenommen werden wollen.»

Sprach- und Machtbewusstsein

Differenzsensible Sprache ist Ausdruck einer sprach- und machtkritischen Einsicht. Sprachkritisch deshalb, weil Sprache nicht als neutrales Mittel zur Abbildung oder Beschreibung von Wirklichkeit verstanden wird. Und machtkritisch, weil versucht wird, die in Sprache eingewobenen Machtverhältnissen aufzudecken und zu hinterfragen.

Ein häufiger Einwand gegen differenzsensible Sprache ist, dass sie die historisch gewachsene Form verändere und daher «unnatürlich» sei. Dieser Einwand berücksichtigt jedoch nicht die Dynamik der Sprache, die sich ständig weiterentwickelt und nie unverändert bleibt.

Differenzsensible Sprache: Eine bewusste Entscheidung

Die Entscheidung für eine differenzsensible Sprache basiert auf bewussten, wertebasierten Überlegungen. Differenzsensible Sprache zielt darauf ab, Normen, Werte und Stereotype in Sprache zu hinterfragen, um bestehende strukturelle Ungleichheiten zu überwinden. Ob sie zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt, hängt davon ab, ob und wie sie von der Mehrheitsgesellschaft angenommen und umgesetzt wird.

Reflexionsfragen

  • Was hat Sprache mit «Wirklichkeit» zu tun? Inwiefern «schafft Sprache Wirklichkeit»?
  • Was bedeutet das für meine Lehre?
  • Welche gesellschaftlichen Vorstellungen von Normalität reproduziere ich in meiner Lehre möglicherweise mit meiner Sprache? Welche versuche ich bewusst, aufzubrechen?

Weiterführende Materialien

Allgemeine Ressourcen

Glossare zu differenzsensibler Sprache

Literatur

  • Handreichung «Geschlechterinklusive Sprache an Hochschulen fördern» – Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW. Essen, 2022.
  • Gümüşay, Kübra (2020). Sprache und Sein. Berlin: Hanser Verlag. ISBN 978-3-446-26595-0 (Link zum Verlag)
  • Grjasnowa, Olga (2021). Die Macht der Mehrsprachigkeit. Über Herkunft und Vielfalt. (S.61). Berlin: Dudenverlag (Link zum Verlag)
  • Diewald, Gabriele und Steinhauer, Anja (2020). Handbuch geschlechtergerechte Sprache. Wie Sie angemessen und verständlich gendern. Berlin: Duden-Verlag. (Link zum Verlag)
  • Keller, Rudi (1990). Sprachwandel: Von der unsichtbaren Hand in der Sprache. Tübingen: Francke/UTB. doi:10.36198/9783838542539
  • Lange, Maria B. (2008). Sprachnormen im Spannungsfeld schriftsprachlicher Theorie und Praxis. Berlin, New York: de Gruyter. doi:10.1515/9783110210859
  • Dirim, İnci (2013). «Rassialisierende Effekte? Eine Kritik der monolingualen Studieneingangsphase an österreichischen Universitäten. In: Mecheril, Paul, Thomas-Olalde, Oscar, Melter, Claus, Arens, Susanne, Romaner Elisabeth (Hrsg.). Migrationsforschung als Kritik? Konturen einer Forschungsperspektive. (S.197-212). Wiesbaden: Springer VS. doi:10.1007/978-3-531-19145-4

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