Mit Sprache ein- oder ausschliessen

Schmuckgrafik: Rohr, aus dem blaue Wolke raustritt

Sprache kann in verschiedener Hinsicht ausschlilessen. Differenzsensibles Sprechen bedeutet, die individuellen Fähigkeiten, Bedürfnisse oder Sprachhintergründe von Menschen zu berücksichtigen.

Leichte und Einfache Sprache

Leichte und Einfache Sprache sind zwei unterschiedliche Varianten der Standardsprache, die  in der Schweiz oft verwechselt und vermischt werden.

  • Leichte Sprache ist aus der Forderung nach Selbstbestimmung entstanden und zielt auf Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit kognitiven Beeinträchtigungen sowie Hörbehinderungen ab.
  • Einfache Sprache kommt Menschen zugute, welche z.B. die deutsche Sprache noch nicht so gut beherrschen, funktionale Analphabet*innen sind oder eine Lese-Rechtschreib-Schwäche haben.

In der UN-Behindertenrechtskonvention, die auch von der Schweiz ratifiziert wurde, wird zudem verlangt, dass auch die Gebärdensprache als vollwertige Sprache anerkannt wird.

In jeder wissenschaftlichen Disziplin wird eine eigene Fachsprache genutzt und ein wichtiges Ziel des Studiums ist es, sich eben diese anzueignen und Fachbegriffe korrekt zu verwenden. Die Bedeutung wichtiger Begriffe sollte daher nicht einfach vorausgesetzt werden. Im Sinne einer Grundlage sollten sie möglichst unkompliziert erläutert und Inhalte verständlich vermittelt werden (siehe hierzu ‘Akademischen Sprachduktus vermeiden, verständlich formulieren’ im Bereich ‘Praxis_Stimmen’ auf dieser Webseite).

«Was mir fehlt, ist leichte Sprache, behindertenfreundliche Sprache, ich finde, dort gibt es eine Riesenlücke.»
Studentin, Universität

«Ich finde gendergerechte Sprache kommt sehr an und wird immer mehr umgesetzt. Auch rassismuskritische Sprache teils. Was mir fehlt, ist leichte Sprache, behindertenfreundliche Sprache. Ich finde, dort gibt es eine Riesenlücke. Sprache für Menschen, die nicht aus dem Hochschulraum kommen aber trotzdem irgendwie hier gelandet sind, oder sur dossier aufgenommen werden. Ich finde, dort gäbe es viel Spielraum nach oben.»

Mehrsprachigkeit konsequent fördern

Es gibt Sprachen, die in der Wissenschaft über ein hohes Prestige verfügen, wie bspw. Englisch. Ausserdem wird an den Schweizer Hochschulen in der Regel die Amtssprache des jeweiligen Landesteils gesprochen und geschrieben.

Darüberhinausgehende Sprachkompetenzen und Sprachbedürfnisse der Studierenden spielen in der Hochschullehre hingegen bisher kaum eine Rolle. Damit bleibt unberücksichtigt, dass bspw. Studierende, die mit einer anderen Erstsprache als Deutsch aufgewachsen sind, diese als zusätzliche Ressource nutzen können. Ein differenzsensibler Umgang mit Sprache bedeutet, Mehrsprachigkeit konsequent als Bereicherung zu betrachten.

Kommunikation hindernisfrei gestalten

Ausschlüsse können in der Lehre nicht nur beim Sprechen unterlaufen, sondern auch durch Texte sowie durch visuelle und weitere Formen der Kommunikation.

Um die Kommunikation in der Lehre möglichst hindernisfrei zu gestalten, sollten sich Dozierende bewusst machen, welche Beeinträchtigungen ggf. mit gewählten Unterrichtssettings und Lehrmitteln einhergehen können. So wäre es nicht ratsam, überwiegend visuelle Lehrmittel zu verwenden, wenn Studierende mit einer Sehbehinderung teilnehmen und viel Mühe aufwenden müssen, um etwas zu erkennen.

Wenn der Einsatz visueller Mittel wichtig ist, können verbale Beschreibungen und Kontextualisierungen helfen, was sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung des Unterrichts in zeitlicher Hinsicht berücksichtigt werden muss. Gleiches gilt für Studierende mit einer Hörbehinderung. In diesem Fall wären alternative Formen zu rein auditiven Lehrmitteln gefragt.

Konkretere Hinweise zu Anforderungen einer hindernisfreien Kommunikation – wie bspw. jene der Multimodalität finden Sie  unter ‘Lehre hindernisfrei gestalten’ in den ‘Praxis_Stimmen’ auf dieser Webseite.

«Ich glaube, es ist auch wichtig, zu erklären, was auf den Bildern ist. Weil auch das vergisst man häufig.»
Dozent, Fachhochschule

«Ich glaube, es ist auch wichtig, zu erklären, was auf den Bildern ist. Weil auch das vergisst man häufig. Menschen mit Sehbehinderung erleben das regelmässig, dass es dann heisst, hier sehen sie das Resultat. Und sie sehen aber nichts. Also immer wieder daran zu denken, wenn ich ein Bild zeige, dass ich auch erkläre, was dort drauf ist. (Dies) hilft auch ganz vielen sehenden Menschen, die vielleicht auch nicht immer ganz sicher sind, wie das Bild zu interpretieren ist. Und wenn ich dann etwas Konkretes zum Bild sage, das versuche, zu kontextualisieren, ich glaube, das hilft Menschen mit wie ohne Behinderung.»

«Ich glaube hier verschiedene Räume zu schaffen, mehr geschützte, oder weniger geschützte, ich glaub das hilft, um über Sprache dann auch die Realitäten thematisieren zu können.»
Dozent, Fachhochschule

«Und was ich dann stets empfehle, ist zu Beginn einer Lehrveranstaltung oder eines Seminars oder einer Vorlesung, jeweils Räume zu schaffen, wo Sprache auch entstehen kann. Also zum Beispiel, dass man zu Beginn fragt, ob jemand spezifische Bedürfnisse hat. Und dann sagt: ‹Meldet euch entweder jetzt direkt – manchmal wollen die das nicht – oder meldet euch im Nachgang vielleicht per Mail›. Und dann können sich die Leute auch in einem geschützten Raum äussern und auch sagen, ‹ich brauche dieses oder jenes›. Also ich glaube gerade Leute, die vielleicht neu eine Behinderung erworben haben, oder auch vielleicht mit ihrer Identität zu kämpfen haben, die wollen darüber nicht in einem grösseren Umfeld sprechen. Und ich glaube hier verschiedene Räume zu schaffen, mehr geschützte, oder weniger geschützte, ich glaub das hilft, um über Sprache dann auch die Realitäten thematisieren zu können.»

Reflexionsfragen

  • Worauf achte ich bisher, um in meiner Lehre Sprachbarrieren abzubauen?
  • Welche weiteren Möglichkeiten, sprachliche Ausschlüsse zu verhindern, fallen mir ein?
  • Welche Sprachen gelten als akademisch wertvoll, legitim und weshalb? Welche nicht? Wie kommt das ggf. auch in meiner Lehre zum Ausdruck?

Weiterführende Materialien

Webressourcen

Literatur

  • Karakaşoğlu, Yasemin (2022). „Sollen wir jetzt eine Türken-Uni werden?“ – autoethnografische Einblicke in hochschulpolitische Verhandlungen einer migrationssensiblen Sprachenpolitik. In: David Füllekruss, Veronika Kourabas, Daniel Krenz-Dewe, Radhika Natarajan, Vanessa Ohm, Matthias Rangger, Katharina Schitow, Saphira Shure, Noelia Streicher (Hrsg.). Migrationsgesellschaft – Rassismus – Bildung. (S. 301-318). Weinheim: Beltz Juventa. (Link ResearchGate)
  • Stockmann, Oda (2023). Einfach können – diskriminierungsfreie Sprache. Berlin: Duden Verlag. (Link zum Stämpfli Verlag)
  • Schroedler, Tobias (2020). Mehrsprachigkeit in tertiären Bildungsinstitutionen. In: Gogolin, Ingrid, Hansen, Antje, McMonagle, Sarah und Rauch, Dominique (Hrsg.). Handbuch Mehrsprachigkeit und Bildung. (S. 259-265). Wiesbaden: Springer VS. doi:10.1007/978-3-658-20285-9

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