Lehre in der Hochschulstruktur

Diskriminierung ist verboten und findet doch ständig statt – auch auf den verschiedenen Ebenen im Kontext Hochschule. Für eine differenzsensible Lehre braucht es eine differenzsensible Hochschule, die Diskriminierungskritik als Querschnittsdimension versteht, und den Abbau bestehender struktureller Hürden.

Veränderung bestehender Strukturen und Normen

Um Hochschulen in diesem Sinne zu verändern, müssen die bestehenden Machtstrukturen und Normen hinterfragt und angepasst werden. Das bedeutet, dass sich Hochschulen vermehrt bewusst mit den Themen Sichtbarkeit, Repräsentation und Ausgrenzung auseinandersetzen müssen.

Die Hochschule sollte die Gestaltung ihrer Prozesse, Reglemente, Leitideen, Führungsstile, Räumlichkeiten und technischen Einrichtungen, Ressourcenverteilung und Kommunikation auf diskriminierende Aspekte hin überprüfen.

«Da ist definitiv noch Luft nach oben, aber das hat oft mit den Ressourcen zu tun. Das sind strukturelle Hürden, die eigentlich hier ein inklusives Setting unmöglich (machen).»
Dozent, Fachhochschule

«Jaja, da ist definitiv noch Luft nach oben, aber das hat auch mit den häufig zuvor angesprochenen Ressourcen zu tun. Also wenn ich zum Beispiel Leute einladen möchte, dann macht man es zu zweit oder zu dritt, dann gibt es keine Stunden dafür zur Verfügung. Und da muss man selber etwas basteln, entweder verzichtet man selbst auf die eigenen Stunden und kann dann Leute einladen, oder man muss andere Wege suchen, dass das möglich wird. Das sind strukturelle Hürden, die eigentlich hier ein inklusives Setting, was gerade in dem Bereich, in anderen ja auch, aber sehr wichtig wäre und es deshalb dann häufig unmöglich ist.»

Ansatzpunkte für eine systematische Förderung differenzsensibler Lehre

Wichtige Ansatzpunkte für eine Hochschule, die differenzsensible Lehre systematisch fördert, können sein:

  • Verantwortungsübernahme und eine klare Verpflichtung zu Differenzsensibilität und Diskriminierungskritik auf Leitungsebene
  • Lehrentwicklungsprojekte und Überprüfung der Curricula
  • Diskriminierungsschutz ausbauen mit Richtlinien gegen Diskriminierung sowie einer professionellen Gleichstellungsarbeit und Arbeit gegen Diskriminierung
  • Sicherstellung einer barrierefreien räumlichen und technischen Lehrinfrastruktur sowie spezifische Unterstützungsleistungen für Dozierende bei der Umsetzung einer barrierefreien Lehre
  • Unterstützung von Selbstvertretung und Selbstrepräsentation von Diskriminierung betroffener sozialer Gruppen an der Hochschule
  • Ausreichende zeitliche Ressourcen zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von differenzsensibler Lehre
  • Weiterbildungen sowie gemeinsame Reflexionsformate zur Förderung einer diskriminierungskritischen differenzsensiblen Lehrpraxis

Professionalität und Weiterbildung

Differenzsensibles Lehren und Lernen zu ermöglichen, ist eine hochschuldidaktische Aufgabe. Sensibilität für Differenz und Diskriminierungen sowie die Fähigkeit, in der Lehre mit Differenz diskriminierungskritisch umzugehen, sind kein Add-on. Sie sind ein Recht und sie gehören zur Professionalität von Hochschuldozierenden. In der eigenen Ausbildung von Dozierenden kam das Thema Diskriminierung jedoch nicht selten zu kurz.

Hochschulen stehen in der Verantwortung, ihren Lehrenden hochschuldidaktische Weiterbildungen sowie Formate für kollegialen Austausch und Reflexion zum Thema Differenz und Diskriminierungskritik in der Lehre langfristig zur Seite zu stellen. Alle Dozierenden stehen in der Pflicht, im Arbeitsalltag differenzsensibel zu agieren und sich entsprechend zu bilden – die Institution Hochschule ist wiederum angehalten, dies zu ermöglichen und auch sicherzustellen.

«Es sollte für die differenzsensible Lehre einen Pflichtbereich geben, einerseits, um als Hochschule auch den Studierenden gerecht zu werden, auch den Dozierenden gerecht zu werden, der Vielfalt an Mitarbeitenden, aber auch, um geltendes Recht umzusetzen.»
Dozentin, Universität

«Ja, aber sowas würde ich mir auch wünschen. Also ich würde sowohl sagen, eigentlich finde ich, es sollte ein Pflichtmodul…, so wie es für die Digitalisierung einen Pflichtbereich gibt, sollte es für den Bereich Differenzsensibilität ein Pflichtbereich geben und kontinuierliche Veranstaltungen von geschulten Personen, die explizit geschult sind. Ich denke, es ist auch wichtig, das verpflichtend zu machen, weil einerseits gibt es einen Verfassungsauftrag zur Gleichstellung, es gibt einen Verfassungsauftrag zur Antidiskriminierung und ich finde, dass gerade staatliche kantonale Hochschulen einen besonderen Auftrag haben, diese Rechte auch zu gewährleisten. Und ich würde auch sagen, Digitalisierung ist ein wichtiges Thema, es ist wichtig, dass Leute sich da Wissen abholen, aber ich denke, Antidiskriminierung und vielfältige Studierende sind das auch. Und einerseits um als Hochschule auch den Studierenden gerecht zu werden, auch den Dozierenden gerecht zu werden, der Vielfalt an Mitarbeitenden (…), aber auch, um geltendes Recht umzusetzen. Als staatliche Institution, fände ich das sehr wichtig.»

«Ich glaube, was ich mir im Endeffekt wünschen würde, wäre, dass differenzsensible Lehre und die Vorbereitung, die es dafür braucht, dass das nicht ein surplus ist, sondern, dass das einfach ein Anspruch wäre, der klar da ist.»
Dozentin, Pädagogische Hochschule

«Ich glaube, was ich einfach super fände, wäre mehr Zeit für Auseinandersetzungen mit Kolleg*innen, die eben auch das Ziel differenzsensibler Lehre haben und da wirklich, sei es im Teamteaching, sei es irgendwie in Arbeitsgruppen, irgendwie an diesen Themen zu arbeiten. Und vielleicht würden schon kleine Fenster hier und da mal helfen, aber es ist natürlich irgendwie…, es soll jetzt überhaupt nicht fatalistisch klingen, aber es ist einfach auch ein Fakt, dass eher die Zeit für Lehre immer noch weiter schrumpft und Vorbereitungszeit eigentlich für alle Personen, die neu anfangen, sowieso viel zu kurz ist. Und ich glaube, was ich mir im Endeffekt wünschen würde, wäre, dass differenzsensible Lehre und die Vorbereitung, die es dafür braucht, dass es nicht ein Surplus ist, was man irgendwie umsetzen kann, wenn man schon so routiniert ist, dass man eigentlich alles aus der Schublade ziehen kann und dann kann man nochmal drüber nachdenken, wie mache ich das jetzt noch differenzsensibel, sondern dass das einfach ein Anspruch wäre, der irgendwie klar da ist und da müsste man das einfach mit einkalkulieren.»

«Das eine wäre sicher die Ausbildung: Welche Bedürfnisse gibt es, wie erkenne ich Bedürfnisse, wie kann ich mit Bedürfnissen umgehen? Und das diese Ausbildungen in einem gewissen Ausmass einfach verpflichtend für alle Lehrpersonen sind. Und dann gibt es eben die technischen Unterstützungsdienste, dass so etwas für die Lehrperson zur Verfügung steht.»
Dozent, Fachhochschule

«Also ich glaube, das eine wäre sicher die Ausbildung, die wir vorher erwähnt haben. Also welche Bedürfnisse gibt es? Wie erkenne ich Bedürfnisse? Wie kann ich mit Bedürfnissen umgehen? Und das nicht nur auf Behinderung bezogen, sondern viel breiter natürlich. Und dass diese Ausbildungen in einem gewissen Ausmaß einfach verpflichtend für alle Lehrpersonen sind. Ich glaube, das würde ich mir wünschen. Und dann gibt es eben die technischen Unterstützungsdienste, die von Mikrofonsettings über hindernisfreie Räume, über die digitale Aufbereitung von Lehrmitteln etc., dass so etwas für die Lehrperson zur Verfügung steht. Also das heißt, dass die Lehrperson das vielleicht nur noch weitergeben müsste und sagen, hier, ich habe die Folien, die sind vielleicht auch nicht hindernisfrei, macht sie bitte hindernisfrei. Oder ich habe diesen Text und der ist nicht lesbar für Menschen mit Sehbehinderung mit einem Screenreader. Bereitet es bitte so auf, dass es das ist. Vieles kommt heute jetzt schon automatisch mit neuen Texten, die digitalisiert bereits vorliegen. Aber immer noch sehr vieles ist es nicht. Und ich glaube, hier braucht es unbedingt Unterstützungsangebote für die Lehrperson.»

«Die Hochschule ist der einzige Ort, wo man ohne jegliche Ausbildung unterrichten darf. Das zeigt auch den Stellenwert.»
Dozent, Universität

«Aber selbst da, ich meine, die Hochschule ist der einzige Ort, wo man ohne jegliche Ausbildung unterrichten darf. Also, phasenweise, ähm, du, du konntest ja keinen Hund haben ohne einen Kurs zu gewissen Zeiten, aber an der Uni unterrichten, das konntest du einfach über, über, über die Tatsache, dass du vielleicht mal Forschung gemacht hast oder dass du mal an einer Uni studiert hast, oder? Also, das zeigt wieder den Stellenwert, das ist nicht so, dass da grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass das Thema ist, das alle irgendwie mal, mal anschauen müssen, oder, oder wo man auch vielleicht sagen würde, okay, da schau, wird geschaut, wer hätte vielleicht ein bisschen mehr Unterstützung nötig und wer vielleicht ein bisschen weniger? Du wirst auf Studierende losgelassen, ohne dass du irgendwie dafür vorbereitet, ähm, sein musst, oder so. Auch das ist schon so ein bisschen fragwürdig, oder?»

Weiterführende Materialien

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Methodisch-didaktische Gestaltung

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