Differenzsensible Brille aufsetzen

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Differenzsensible Lehre geht über die Anerkennung von Unterschieden hinaus. Sie erfordert, Unterschiede als soziale Konstrukte und als Teil der individuellen Lebensrealität zu begreifen und dabei ungleichheitsgenerierende, stigmatisierende und stereotype Fest- und Zuschreibungen zu erkennen und ihnen aktiv entgegenzuwirken.

Ebenso braucht es ein feines Gespür für die Relevanz von Unterschieden. Hierzu gehört es abzuwägen, wann die Thematisierung von Differenzen konstruktiv ist und wann sie zu einer Stigmatisierung führen könnte.

«Eine differenzsensible Lehre in meinem Verständnis meint nicht primär eine Sensibilität für die verschiedenen Unterschiede, die es gibt, sondern insbesondere eine Sensibilität für die verschiedenen Ungleichheiten.»
Dozent, Fachhochschule

«Ja vielleicht ganz kurz, ich glaube, eine Lehre, welche mit Bezug auf die Sensibilität von Differenz alle Personen erreicht. Also alle Personen da abholt, wo sie situiert sind. Ich glaub, was mir da immer wieder wichtig ist, zu betonen, dass für mich eine differenzsensible Lehre in meinem Verständnis nicht primär eine Sensibilität meint für die verschiedenen Unterschiede, die es gibt, sondern insbesondere eine Sensibilität für die verschiedenen Ungleichheiten, mit welchen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen leben. Also Ungleichheiten, welche vielmehr mit gesellschaftlichen Strukturen zu tun haben, als mit den individuellen Unterschieden.»

Reflexionsprozesse anstossen und bisher Selbstverständliches verlernen

Differenzsensible Lehre bedeutet auch, Reflexionsprozesse anzustossen und Fragen anzuregen, auf die es keine klaren Antworten gibt und die zu stellen sich dennoch lohnt. Sie möchte das ‘Verlernen‘ von bisher Selbstverständlichem begleiten.

Erfordert ist, dass wir uns aktiv und kritisch damit auseinandersetzen, dass wir alle Teil gesellschaftlicher Zusammenhänge und somit in die derzeitigen gesellschaftlichen Machtverhältnisse verstrickt sind. Über existierende Diskriminierungen und damit zusammenhängende Ungleichheiten gilt es zu sprechen. Sie sind tief in den Wissensbeständen und Strukturen des Hochschulsystems verwurzelt.

Differenzsensible Lehre als kontinuierlicher Prozess

Differenzsensibel zu lehren bedeutet, Lehren als kontinuierlicher Prozess zu verstehen, sich mit den Verhältnissen auseinanderzusetzen, in denen sich Hochschullehre abspielt und in denen Diskriminierung und Ausschlüsse tagtäglich und oftmals völlig unbewusst produziert werden.

«Differenzsensible Lehre ist für mich ganz eng gebunden an die Idee, dass ich die Bedeutung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen in meiner Lehre anerkenne.»
Dozentin, Pädagogische Hochschule

«Differenzsensible Lehre ist für mich einfach ganz eng gebunden an die Idee, dass ich die Bedeutung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen in meiner Lehre anerkenne und dass ich versuche, denen Rechnung zu tragen, im Sinne von, dass ich mir gewahr bin, dass Personen in der Hochschule – im Leben allgemein – aber eben in der Hochschule und in Seminaren in Relation zu dem, was sie dort lernen, unterschiedlich sozial positioniert sind. Und dass das ihren Lehr- und Lernprozess beeinflusst.»

Reflexionsfragen

  • Was denke ich zum folgenden Zitat aus der ersten Audiospur: «Eine differenzsensible Lehre in meinem Verständnis meint nicht primär eine Sensibilität für die verschiedenen Unterschiede, die es gibt, sondern insbesondere eine Sensibilität für die verschiedenen Ungleichheiten.»
  • Welche gesellschaftlichen Machtverhältnisse an meiner Hochschule erkenne ich? Und in meiner Lehre?
  • Was bedeutet es für mich und meine Lehre, eine «differenzsensible Brille» aufzusetzen?

Weiterführende Materialien

Webseite

  • diskrit, Diskriminierungskritische Perspektiven an der Schnittstelle Bildung/Kunst, Kunsthochschule Mainz

Literatur

  • Arens et.al. (2013). Wenn Differenz in der Hochschule thematisch wird. Einführung in die Reflexion eines Handlungszusammenhangs. In: Mecheril et.al. Differenz unter Bedingungen von Differenz. (S. 7-28). Wiesbaden: Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01340-0_1
  • Anne Broden (2017). Rassismuskritische Bildungsarbeit. Herausforderungen Dilemmata – Paradoxien. In: Karim Fereidooni und Meral El (Hrsg.). Rassimuskritik und Widerstandsformen. (S. 819). Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14721-1_49
  • Doğmuş, Aysun, Karakaşoğlu, Yasemin, Mecheril, Paul (2016). Einführung. In: Doğmuş, Aysun, Karakaşoğlu, Yasemin, Mecheril, Paul. (Hrsg.): Pädagogisches Können in der Migrationsgesellschaft. S. 1-9. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07296-4
  • María do Mar Castro Varela (2017). (Un-)Wissen. Verlernen als komplexer Lernprozess. Migrazine.
  • Steyn, Melissa (2015). Critical Diversity Literacy: Essentials for the twenty-first century. In: Vertovec, Steven (Hrsg.). Routledge International Handbook of Diversity Studies. (S. 379-389). London/New York: Routledge. (Link ResearchGate)

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Differenzsensible Lehre in der Lehrpraxis

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